Konzeptionelle Idee

Der Langlebigkeit kommt mit Blick auf die Umweltrelevanz von Produkten eine besondere Rolle zu. Umso länger ein Produkt genutzt wird, desto geringer fällt in der Regel die Umweltwirkung pro Nutzungseinheit aus.

In der Regel sind es verschiedene Bedingungen, die im Zusammenspiel die Lebens- und Nutzungsdauern von Produkten begrenzen.

Auf das Material und das Design bezogene Bedingungen

  • Produktdesign und daraus resultierende gegenseitige Beeinflussung von Komponenten (z. B. Kombination von kurzlebigen und langlebigen Bauteilen oder chemische / thermische Reaktionen)
  • äußere Belastungen wie Temperatur, Strahlung, Feuchtigkeit und Druck
  • materialeigenes Alterungsverhalten und Verschleiß
  • Standardisierung von Bauteilen, Modularität, Kompatibilität und Reparierbarkeit

Gesellschaftliche und Nutzer:innenbezogene Bedingungen

  • Nutzungsverhalten: Art und Intensität der Nutzung, sachgerechter Gebrauch; Pflege, Wartung und Reparaturen (hierbei zeigen sich statistische Unterschiede zwischen Personen mit soziodemografischen Merkmalen wie Alter, Einkommen, Haushaltsgröße etc.)
  • Technologische Entwicklungen und Kompatibilität mit anderen Produkten bzw. Nutzbarkeit innerhalb eines technischen Systems
  • Verfügbare Dienstleistungen und Verfügbarkeit von Ersatzteilen
  • Moden und ästhetische Präferenzen
  • staatliche Förderprogramme, die zum vorzeitigen Austausch von Produkten führen, z. B. Abwrackprämie

Gründe, weswegen Produkte nicht mehr gebraucht bzw. ersetzt werden, werden als Obsoleszenz-Formen bezeichnet. Folgende Obsoleszenz-Formen werden häufig diskutiert. Sie sind nicht trennscharf. Auch können verschiedene Obsoleszenz-Formen gleichzeitig bei einem Produkt auftreten.

  • Werkstoffliche Obsoleszenz: Das Produkt ist hinsichtlich der intendierten Funktionalität nicht mehr benutzbar.
  • Ökonomische Obsoleszenz: Das Produkt wird aus finanziellen Gründen obsolet, z. B. aufgrund hoher Kosten für eine Reparatur oder hoher Betriebskosten.
  • Funktionale Obsoleszenz: Das Produkt wird obsolet wegen des technologischen Fortschritts, trotz noch vorhandener technischer Lebensdauer (z.B. da Anschlüsse nicht mehr kompatibel sind).
  • Softwareobsoleszenz: Ein Gerät wird obsolet aus Gründen der veralteten Software, z.B. weil keine Sicherheitsupdates mehr bereitgestellt werden (UBA-Studie zu Softwareobsoleszenz).
  • Psychologische bzw. symbolische Obsoleszenz: Das Produkt entspricht nicht (mehr) den gegenwärtig kulturellen Vorstellungen und persönlichen Vorlieben, z. B. durch geänderte Mode- und Konsumwünsche.
  • Rechtliche Obsoleszenz: Das Produkt entspricht nicht mehr bestimmten Vorgaben, z. B. durch Anpassung von Normen, rechtlichen Verordnungen oder auch Richtlinien und Empfehlungen.
  • Ökologische Obsoleszenz: Das Produkt wird wegen umweltrelevanter Kriterien ausgetauscht, da eine andere Version weniger Ressourcen verbraucht, z.B. Tausch einer funktionierenden ineffizienten Öl-Heizung gegen eine Wärmepumpe.

Die Zielstellungen eines (Öko-)Designs für Langlebigkeit lässt sich daher wie folgt zusammenfassen:

Die systematische Planung der technischen Lebensdauer ist eine wichtige Entscheidung im Ökodesign-Prozess. Zentral ist dabei, dass die Lebensdauern der einzelnen Komponenten aufeinander abgestimmt werden. Damit kann auch verhindert werden, dass in einzelne Komponenten zu viele Ressourcen investiert werden, deren herausragende Qualität nicht genutzt werden kann, da andere Bauteile vorzeigt ausfallen. Es kommt also nicht darauf an, dass alle Bauteile möglichst lange halten, sondern, dass die Lebensdauer der verschiedenen Bauteile aufeinander abgestimmt werden.

Um die Lebensdauer der einzelnen Komponenten oder auch des gesamten Produktes zu bestimmen, werden Lebensdauertests durchgeführt. Im Idealfall werden diese mit Prototypen unter möglichst realen Bedingen im Labor vorgenommen. Bei elektronischen Geräten werden Test aus Kostengründen häufig nur digital simuliert.

Ansatzpunkte der Lebensdauerverlängerung

(Primär) technische Ansatzpunkte:

  • robuste Konstruktion und Nutzung resistenter Materialien, um auch starker Beanspruchung und einem nicht sachgemäßen Gebrauch zu widerstehen
  • Berücksichtigung von Werkstoffeigenschaften, die wesentlich für die Lebensdauer eines Bauteils sind, z. B. Festigkeit
  • optische Beständigkeit, z. B. Verhinderung von Kratzern, kein Verblassen von Farben
  • Möglichkeit einer zerstörungsfreien Demontage zumindest wichtiger (Verschleiß-)Teile zum Zweck der Wartung oder der Reparatur
  • Lagerung und Bereitstellung von (günstigen) Ersatzteilen
  • modulare Gestaltung, um Produktteile auszuwechseln, neue Teile hinzuzufügen, ggf. Innovationssprünge einzelner Komponenten zu integrieren und Variantenvielfalt zu ermöglichen.
  • geringer Aufwand für Wartung oder Reparatur einschließlich der Verfügbarkeit von Austauschteilen zu akzeptablen Preisen

(Primär) nicht-technische Ansatzpunkte:

  • Einfach verstehbare Informationen zum sachgemäßen Gebrauch, zur Pflege, zur Reparatur und Baupläne bereitstellen.
  • Produktbindung begünstigen, z. B. durch Individualisierbarkeit und Prosuming.
  • Erweiterte Herstellerverantwortung, z. B. durch Bereitstellung von Garantien.
  • Definition und Erweiterung von rechtlichen Mindestanforderungen von Produkten, beispielsweise im Rahmen der Ökodesign-Richtlinie und der von der EU diskutierten Ecodesign for Sustainable Products Regulation (ESPR) (Stand April 2024).

Umwelteffekte der Lebensdauerverlängerung

Bei allen Gegenständen, die keine Energie verbrauchen, ist es aus Umweltsicht besser, wenn diese möglichst langlebig designt sind und lange genutzt werden, sofern dadurch Neukäufe verzögert werden. Bei elektronischen Geräten spielt zusätzlich eine Rolle, ob durch zu erwartende Energieeffizienzsprünge der Austausch eines funktionierenden Gerätes aus Umweltsicht sinnvoll sein kann, wenn das neue Gerät deutlich weniger Strom und ggf. Wasser verbraucht. Dabei ist zu berücksichtigen, welcher Ressourcenverbrauch durch Herstellung, Transport und Recycling anfallen, relational zu dem Umweltverbrauch durch die Nutzung. Dies wird mit einer Ökobilanz berechnet. Da die Energieeffizienzsprünge immer geringer werden und der Anteil an Ökostrom am Strommix zunimmt, trifft nur noch auf sehr alte und ineffiziente elektronische Geräte zu, dass diese ausgetauscht anstatt länger genutzt werden sollten. Die beiden nachstehenden Berechnungen veranschaulichen dies beispielhaft für die Produkte Notebook und Waschmaschine.

Fallbeispiel Waschmaschinen

Da Waschmaschinen bei jeder Nutzung Strom und Wasser benötigen, ist die Umweltwirkung während der Nutzungsphase relational zu der Herstellungsphase höher als bei Notebooks. Dennoch ist es für die Ökobilanz einer Waschmaschine vor allem ausschlaggebend, wie lange sie genutzt wird. In einem Betrachtungszeitraum von 20 Jahren verursacht die Nutzung einer langlebigen Waschmaschine knapp 1.100 kg weniger CO₂-Äquivalente als die Nutzung von vier kurzlebigen Maschinen. Das sind knapp 30 Prozent weniger Treibhausgasemissionen. Die Berechnung aus dem Jahr 2016 ist hier erläutert und veranschaulicht. Da der Anteil an Öko-Strom an dem Strom-Mix in Deutschland in den letzten Jahren gestiegen ist, erscheint es plausibel, dass das Umweltentlastungspotenzial davon, auch ineffiziente Geräte länger zu nutzen, weiter zugenommen hat.

Relevanz der verschiedenen Lebenszyklusphasen in verschiedenen Umweltwirkungsbereichen

Relevanz der verschiedenen Lebenswegstufen in verschiedenen Umweltwirkungsbereichen

Bei Haushaltsgeräten sind bezüglich der Umweltlasten die Herstellung und Nutzung ganz entscheidend. Für die Frage der Relevanz der Herstellungsphase im Vergleich zur Nutzungsphase ist es auch von Bedeutung, welche Arten von Umweltwirkungen betrachtet werden. Aufgrund des hohen Stellenwertes der klimapolitischen Ziele werden heute vielfach nur der Energieverbrauch oder die Emissionen an Treibhausgasen betrachtet. In anderen Wirkungsbereichen können die Untersuchungsergebnisse aber zu ganz andere Schlussfolgerungen führen.

Ein LCD-Fernsehgerät verbraucht während der Nutzungsphase viel Energie. Der Vergleich der Relevanz verschiedener Lebenswegphasen in verschiedenen Wirkungsbereichen zeigt nach einer Studie von Ökopol z. B. das nachfolgende Ergebnis: Während das Treibhauspotenzial und das Versauerungspotenzial sehr deutlich durch den Energieverbrauch bei der Gerätenutzung dominiert werden, werden andere Umweltwirkungen wie die Freisetzung von Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffe oder die Eutrophierung (Überdüngung) deutlich stärker von den Produktionsprozessen beeinflusst.

Zielkonflikte

Es gibt zahlreiche Zielkonflikte im Bereich der Langlebigkeit (siehe diese Studie des Umweltbundesamtes im Kapitel 3.6.2 diskutiert und Jaeger-Erben et al 2023).

Beispiele:

  • chemische Behandlung von Produkten für eine bessere Haltbarkeit und Funktionalität versus Umwelt- und Gesundheitsschutz
  • Haltbarkeit von Verbundmaterialien (Stoffgemischen) versus Recyclingfähigkeit
  • Ressourcenentlastung durch nachwachsende Rohstoffe versus Recyclingfähigkeit und Haltbarkeit (siehe „Nachwachsende Rohstoffe“)
  • Ressourcenentlastung durch Verwendung von Rezyklaten versus Haltbarkeit und Kosten
  • Haltbarkeit durch höheren Materialeinsatz versus Ressourcenschonung
  • Konsum als Erlebnis und soziale Teilhabe versus Ressourcenschonung
  • preiswerte Produkte versus Qualität
  • Mode und Kultur versus verlängerte Nutzungsdauer
  • Modularität vs. höhere Fehleranfälligkeit aufgrund von mehr Steckverbindungen
  • Schutz vor Wasser und Staub durch verklebte Hüllen vs. Reparierbarkeit durch Schraubverbindungen

Welchen Zielen während des Designprozesses welche Bedeutung zugemessen wird, muss bei jedem Produkt erneut abgewogen werden. Aus Umweltsicht ist es prinzipiell vorteilhaft, wenn möglichst wenig Produkte hergestellt werden und davon ein möglichst hoher Anteil möglichst langlebig ist und möglichst wenig Ressourcen über den Lebenszyklus verbrauchen. Eine Kultur der Wertschätzung auch gegenüber älteren Dingen stellt dafür eine wichtige Basis dar.